Samstag, 22. August 2015

Roth Challenge 2015

Zweites Debüt

Acht Jahre ist es her, dass ich meine letzte Langdistanz verhauen absolviert hatte und obwohl die Umstände in meinem Leben, das Training betreffend, seit Klagenfurt nicht leichter geworden sind, wollte ich nun endlich mal keine bedeutsame, aber eine respektable Zeit erreichen. Die Vorbereitung auf die lange Distanz war im Frühjahr eher durchwachsen, da noch zwei Teamwettkämpfe in der 2. Bundesliga über die Sprintdistanz anstanden. Trotz allem konnte ich mehr Laufkilometer als in den Jahren zuvor sammeln. Die direkte Vorbereitung (5 Wochen vor dem 12. Juli: 3 Wochen> viel / 2 Wochen> locker) liefen bis auf wenige Ausnahmen planmäßig und machten mir echt viel Spaß. Das Wetter hätte etwas besser mitspielen können, aber es wäre ja langweilig, wenn immer alles stimmen würde.
Ein Jahr vorher musste man sich innerhalb von 80 Sekunden online anmelden und 400 € löhnen, um in Roth 2015 teilnehmen zu können.

1997 war ich zum ersten Mal als Zuschauer vor Ort, ohne mit dieser Sportart bis dahin etwas zu tun zu haben. Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, je selbst dort einmal zu starten.

Die Stimmung bei diesem Wettkampf ist auf jeden Fall unübertroffen. Selbst die Weltmeisterschaft in Kona wird von Triathlon-Veteranen nur auf Position 2 eingeordnet.

Da das ja angeblich immer der längste Tag des Jahres werden soll, muss der Start auch recht früh erfolgen (6:30 Uhr alle Pros, 6:40 Uhr die schnellen Frauen, 6:45 Uhr die älteren Frauen und 7:00 Uhr die SUB9 Startwelle, in der ich ins Rennen ging. Ab 7:05 Uhr folgten dann im 5-Minuten-Takt die Altersklassenathleten und last but not least die Staffeln.)

Die Beutel mit den Wettkampfutensilien gab man schon am Vortag ab.

Natürlich gehörte auch der Rad-CheckIn dazu. Am so genannten „Raceday“ checkte ich abschließend mein Rad und musste feststellen, dass sich ein Nachtfalter in meinem Eistüten ähnlichen Aerohelm eingenistet hatte. Wäre bestimmt angenehm gewesen, wenn diese Motte mir während der 180 Kilometer langen Radtour durch die Haare geflattert wäre. Für mehr Arbeit in der Beseitigung, sorgte die Ameisen-Großfamilie, die sich über meinen Energieriegel, der auf dem Vorbau klebte hergemacht hatte. Ich entfernte also den Riegel und versuchte alle Insekten von meinem Rad zu vertreiben. Die Kopfschmerzen, die ich seit dem Aufwachen hatte, ließen sich leider nicht vertreiben. Auch die sehr enge Badekappe, die man vom Veranstalter tragen musste, trug nicht dazu bei, dass der Schmerz in meinem Kopf weniger wurde..

Durch den 15 Minuten langen Abstand zur dritte Startwelle, konnte ich mich glücklicherweise einschwimmen. Ich stellte mich in die erste Reihe, nicht wissend, ob es ein großes Geprügel auf den ersten Metern geben würde. Das war nicht der Fall. Im Gegenteil, ich kann mich nicht erinnern, dass ich je so eine softe Startphase wie diese hatte.

Dafür brauchte ich allerdings eine Weile um passende Füße zu finden, deren ich folgen wollte. Ich schwamm, wie ich es auch geplant hatte, sehr ruhig & verhalten, man könnte beinah behaupten „locker“. Als es nach der ersten Wende wieder auf den Rückweg ging, schwamm meine Gruppe immer wieder sehr nah ans Ufer, so nah, dass ich ab und an beim Armzug den Grund berührte. Bei etwa Kilometer 3,3 schwamm man am späteren Wasserausstieg vorbei und peilte den zweiten & letzten Wendepunkt an. Nun waren es vielleicht noch 300 Meter zu schwimmen. Ich fühlte mich bis auf meine Kopfschmerzen gut, aber trotzdem auch etwas ermattet, da ich im Training nicht ein Mal so eine lange Strecke, geschweige denn am Stück, zurückgelegt hatte. Ich hatte nun über 50 Minuten lang meine Füße in der Streckung. Ich beugte sie kurz an. Das Ergebnis: Krampf in den Waden. Nun ein Brustbeinschlag. Das gleiche Resultat: Krampf in den Oberschenkeln. Alles in allem war es aber dennoch ein ruhiges Schwimmen so wie ich es geplant hatte. Um 7:57 Uhr stieg ich aus dem Kanal, also ein 1:30er-Schnitt.

Da ich nun die nächsten fünf Stunden auf meinem Rad zubringen würde, machte ich mir in der Wechselzone keinen wirklichen Stress im Vergleich zu den Triathlons, bei denen ich sonst startete. Auf den ersten Kilometern waren eine Menge Athleten um mich herum, doch dieser Zustand änderte sich etwas später.

Mit einem Spanier, Roberto Cuesta, sollte ich jedoch die gesamten 180 Kilometer zusammen verbringen. Er hatte ein gutes Tempogefühl, was mir gut gefiel. Eine Runde war 90 Kilometer lang und ich kannte die Strecke nur vereinzelt, beziehungsweise war ich im Vorfeld die komplette Runde nicht abgefahren. Es war an jenem Tag sehr windig, definitiv windiger, als es sonst in Mittelfranken im Sommer ist und das nahm ab der zweiten Runde zu. Die Lufttemperatur kletterte heute auf 32°C. Den an der Spitze liegenden Frommhold schien das aber nicht wirklich zu stören und so fuhr der gebürtige Zehlendorfer einen 43,5-Schnitt. Nach etwa 15 Kilometer hatte ich das Gefühl, ich wäre mit Roberto allein unterwegs. Außer den Marschalls war kein anderer Teilnehmer zu sehen.

Der Kalvarienberg in Greding bei Kilometer 40 hatte es echt in sich: ich knautschte 16 km/h diesen Hügel hoch, mit einer Übersetzung von 45/23. Dafür wurde man etwas später auf einer Abfahrt belohnt, denn meine Tachonadel zeigte über 75 an. Roberto hatte nicht so ein Spaß am hoch und runter fahren. Er war eher der Mann für konstanten Geschwindigkeit in der Ebene, was mich somit davon abhielt zu überzocken. Meine Kopfschmerzen wurden nur leider nicht besser und dieser fast geschlossene Helm machte das Ganze nicht besser. Vielleicht hätte ich ihn mehr als nur einmal im Training testen sollen, aber es war mir echt zu blöd, damit außerhalb eines Wettkampfs zu fahren und im Rennen fahre ich meiner Meinung nach auch zu langsam, als das ich mir damit einen Vorteil verschaffen würde. Ich habe gesehen, dass manche Leute sogar regelmäßig mit besagtem Helm im Training fahren – für mich jedenfalls nicht nachvollziehbar. Meine Ambitionen diesen Helm zu tragen, hatte den banalen Grund: Visier statt Brille.

Mittlerweile gab die Sonne auch ihren Anteil dazu, dass mein Kopfweh konstant blieb und deswegen ließ ich gelegentlich Wasser aus einer Trinkflasche in den Helm laufen.

Bei Kilometer 70 kam endlich der sagenumwobene Berg, der zum kleinen Ort Solar führt. Der Berg bzw. Hügel, der für die Teilnehmer der Challenge Roth auf Grund der vielen Zuschauer & Stimmungsmacher das absolute Highlight sein soll. Es wurde auf jeden Fall mit dieser Aussage nicht übertreiben. Wenn man in Hilpoltstein um die Rechtskurve kommt und diese Masse an Leuten sieht, bekommt man wirklich ein wenig Gänsehaut, wenn die Menschengasse erst ein paar Meter vor einem aufgeht; du hast ein dauerhaftes „WOW“ im Kopf!

Leider verflog dieses Gefühl recht bald wieder, als mir eine Bremse in den Oberschenkel stach. Mein Oberschenkel sah aus, als wäre mir eine zweite Kniescheibe gewachsen, von den Schmerzen mal ganz abgesehen. Schlimmer konnte es eigentlich nicht mehr kommen, es sei denn, ich würde jetzt noch einen Materialschaden dazu bekommen. Roberto & ich fuhren nach 90 Kilometer wieder am Schwimmausstieg in Hilpoltstein vorbei und unsere Zweisamkeit schien nun ein Ende zu haben, denn es rollten nun die ganzen Radfahrer aus den Staffeln auf die Strecke. Total schön in die motivierten Gesichter zu sehen, die nun voller Enthusiasmus in ihr Rennen starteten, während ich mittlerweile schon 3:20 h ohne Pause Sport gemacht hatte. Die Straße war nun unzweifelhaft voll. Athleten jeder Leistungsklasse.

Jetzt war ich gezwungen in der Mitte der Straße zu fahren, weil man nur am Überholen war. Es gab auch die Ambitionierten, die der Meinung waren, sich nun an meinem Hinterrad festbeißen zu müssen und es gab die ganz Schnellen, die von hinten in einer Slalomfahrt vorbei preschten. Derweilen musste ich an Serdar Somuncu denken und ob er über Staffelstarter das Gleiche, wie über Halbmarathonläufer sagen würde: „Wenn du nen Ganzen nicht schaffst, dann lauf doch gar nicht.“ :-)

Der Wind nahm in der zweiten Runde zu und obendrein bekam ich aus heiterem Himmel Knieschmerzen. Noch nie vorher da gewesen! Überlastung? Eigentlich nicht. Keine Ahnung!

Das Feld der Staffel-Radfahrer lichtete sich glücklicherweise bald wieder und ich fuhr mit Roberto auf Katrin Esefeld auf, die wir auch bis zur nächsten Wechelzone nicht mehr „los wurden“. Zu guter Letzt machte mir mein Magen auch noch Probleme, wahrscheinlich weil ich zu viel Nahrung zu mir genommen hatte, aus Panik vor dem noch folgendem 42 Kilometer langen Koppellauf. In Eckersmühlen, wo die sogenannte Biermeile für die Zuschauer war, bog man diesmal rechts in Richtung Roth zur zweite Wechselzone ab. Die einspurige Straße war 5 Kilometer lang und der Wind zeigte ein letztes Mal, was in ihm steckte. Ich führte mit gerade mal 32 km/h unser Trio an und meine beiden Mitstreiter machten keine Andeutung, noch einmal in die Führung gehen zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt war ich total kaputt, müde, völlig im Eimer und dazu dieses WARUM im Kopf. Warum bin ich jetzt in diesem Zustand? Ich war auf diesen einen Tag im Jahr unleugbar gut vorbereitet und bei einer durchschnittlichen Wattleistung von 220, was bei mir eine G1-Plus-Belastung ist, sollte ich jetzt eigentlich nicht in so einem desolaten Zustand sein. 4:52h betrug meine Radzeit, was, wenn man bedenkt, mit dem Leistungsabfall in der zweiten Runde, vertretbar war.

Als ich in die Wechselzone kam, hatte ich nur einen Wunsch: hinlegen und schlafen. Das wäre allerdings die falsche Disziplin gewesen, deswegen zog ich meine Laufschuhe an und lief aus dem Wechselzelt. Eine sehr nette Helferin fragte mich noch, ob alles in Ordnung wäre? Ich schüttelte den Kopf und sie entgegnete mir: „Super, dass wird schon!“

Wie ich es mir vorgenommen hatte, lief ich sehr verhalten los. Wer die Strecke kennt, weiß, dass es zu Beginn ein wenig abschüssig geht. Ab dem 2. Kilometer sollte man aber spätestens sein Tempo gefunden haben. Und das hatte ich auch. Esefeld und eine gewisse Julia Viellehner, die am heutigen Tag einen 3h-Marathlon lief, überholten mich; ich rannte unverdrossen meinen Takt weiter und es lief gar nicht mal schlecht. Ich hatte mir am Vortag auf der Messe einen Visor gekauft, der versprach, nach Kontakt mit Wasser eine kühlende Funktion zu haben (der & die Siegerin trugen die gleiche Kopfbedeckung) und das war echt nicht gelogen. Dieser schwarze Visor mäßigte sogar meine Kopfschmerzen, was mir wieder Aufwind gab, diesen Triathlon vernünftig zu beenden. In den Verpflegungsständen, die alle 2 Kilometer kamen, machte ich jedes Mal eine kurze Gehpause, um möglichst viel Flüssigkeit aufnehmen zu können. Nach etwa 45 Minuten hielt ich sogar an, um mal auszutreten. Ein vorbeilaufender Teilnehmer rief mir den gescheiten Tipp: „Pinkel doch beim laufen“, zu. Ich ignorierte den Kommentar, da es bei mir ja nicht um Leben & Tod ging. Als ich an der gleiche Stelle, aber in die entgegengesetzte Richtig bei etwa Kilometer 18 war, fühlte sich gar nichts mehr so klasse an. Im Soll war ich noch, auch wenn meine Gehpause in den Verpflegungsstationen länger wurden. Am Halbmarathon angelangt musste ich mir eingestehen, dass das heute nichts mehr mit einer vernünftigen Gesamtzeit werden würde. Nun ging ich eine ganze Weile, dann lief ich einen Kilometer, dann wieder gehen. Ich haderte mit mir, was ich machen sollte? Weiter über die Strecke quälen, um zumindest zu finishen oder aussteigen und somit Vorbereitung & Investition in den Sand zu setzen? Kurz vor der Kilometermarke 25 stand für mich fest, ich bin raus! Eine vierte schlechte Zeit auf der Ironman-Distanz brauchte ich wirklich nicht. Ich legte mich am Streckenrand ins Gras und schlief sofort ein.

Nach einiger Zeit bissen mich zwei Armeisen wieder wach und ich machte mich im Schleppschritt auf den Rückweg zum Zielbereich. Das waren etwa 11-12 Kilometer, aber was sollte ich machen? Taxi oder Besenwagen gab es ja nicht. Bei Kilometer 38 nahm mich eine ältere Dame an die Hand und zerrte mich im Laufschritt einen Hügel hoch. Ich war ja nicht mehr im Rennen und wollte eigentlich meine Ruhe haben, aber woher sollte sie das auch wissen. Nach diesem Gehetze ließ ich mich wieder für eine halbe Stunde nieder, bis ich schlussendlich die letzten Meter zurücklegte. Am Zieleinlaufkorridor wartete ich noch ein paar Minuten auf meine Frau Sarah, um mit ihr zusammen ins Ziel zu laufen..
 


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